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Das literarische Orchester - spielen Sie mit!
11.08.2006
Zermelo:
Ich habe hier mal ein bißchen gestöbert und hab dabei Aljoschas Buch entdeckt. Vielleicht keine ganz einfache Lektüre, aber ich denke, die werde ich mir mal vornehmen. Scheint etwas für Herz, Seele und Verstand zu sein. Was will man denn mehr?
Christian Erdmann: Aljoscha der Idiot
Stefan Möhler:
Hab grad mal bei amazon nachgeschlagen. Ist ja sogar erschwinglich und die Kundenbewertung dort ist beeindruckend.
24.08.2006
Markus Pettering:
Zu Recht.
Ich bin etwas über
die Hälfte hinaus mit der Lektüre (173 von 301 Seiten).
Der Roman ist
sprachlich sehr originell, so, wie wir den Autor vom Forum her kennen.
An äußerer Handlung
ist wenig bis nichts vorhanden; auktorial erzählt, aber da alles in der Seele
des Protagonisten Aljoscha stattfindet, ließe sich auch von personaler
Erzählweise sprechen.
Personencharakterisierung
entsteht, wenn überhaupt, dann nur aus der Wahrnehmung Aljoschas.
Auch die äußere
Welt bleibt vage. Aljoscha ist irgendwie Student der Philosophie und
Kunstgeschichte in (?) St Petersburg und malt selber. Woher sein Geld kommt (er
unternimmt weite Reisen; er hat Telefon, Walkman und so, wie ein deutscher
Student), erfährt man nicht. Ein paar Andeutungen weisen auf die Jetztzeit hin,
und es wird viel Metro gefahren.
Das alles bleibt im
Nebel gegenüber der Nachzeichnung seiner menschlichen Beziehungen bzw der
Entwicklung einer traumhaften, verhängnisvollen (?) Liebe zu der sog
"Katzenfrau" (während er zugleich mit seiner ersten Liebe, der
gebildeten und praktischen Leda, liiert ist, von der er sich aber allmählich,
äußerlich kaum wahrnehmbar, entfremdet). Die Katzenfrau -- SIE tritt immer
dienstags in seiner kunstgeschichtlichen Vorlesung in Erscheinung und scheint
einem schwarzweißen Schreckens-Film von 1942 entstiegen, einem am Anfang des
Romans wiedergegebenen einsamen nächtlichen Fernseherlebnis Aljoschas -- wird
von ferne durch Aljoscha angebetet (ähnlich Beatrice durch Dante, dem u.a. eine
Reise nach Florenz gilt); bis auf S. 168 hat er SIE nie einmal anzusprechen
gewagt, obwohl er sich schon ein Jahr lang nach ihrem Anblick dienstags
verzehrt. Das alles treibt ihn an den Rand des Wahnsinns, was u.a. durch ein
kakophones Wechselgespräch zwischen den Figuren des Tarotspiels nachgezeichnet
wird, das sich anscheinend in seinem Kopf abspielt.
Der Text ist aber
nicht ohne Spannung. Der Leser fragt sich, ob es endlich einmal zu einem
Kontakt zwischen dem Protagonisten und IHR kommen wird (niemand erfährt bis auf
S. 173 auch nur IHREN Namen, SIE wird stets nur mit einem Personalpronomen in
Majuskeln apostrophiert).
Es gibt viel
Bezugnahme auf dichterische, philosophische und psychologische Texte (manchmal
könnte das Namedropping etwas reduziert werden; aber manches davon ist auch
wieder sehr witzig), ferner werden immer wieder in fetten Majuskeln heutige Lyrics eingeworfen (die hört Aljoscha in seinem Walkman).
Jedenfalls keine konventionelle Erzählweise. -- Eine interessante neue Stimme.
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