04. Oktober 2006
Königliches Metaphernfeuerwerk
Von Autor
Der plot ist nichts, was ein Autor daraus macht, ist alles. Wenn dieser
Allgemeinplatz eines Belegs mehr bedürfte, Christian Erdmann lieferte ihn.
Aljoscha, hypersensibler Student an einer Universität, ist mit Leda mehr
oder weniger verbandelt, als ihm im UniMax ein rätselhaftes weibliches Wesen
auffällt, das zum Objekt seiner, nein, nicht Begierde, sondern seiner Sehnsucht
wird.
Pjotr, sein der Bildenden Kunst verpflichteter Freund, arbeitet an
Skulpturen von sieben Köpfen, die am Ende des Romans im Brennofen gehärtet
werden. So weit, so vertraut. Eine Liebesgeschichte im Studentenmilieu, doch
was der Autor daraus macht, nötigt Respekt ab.
Von der ersten Seite an leistet der Roman dem Leser Widerstand, verwirrt
ihn mit seiner zuerst tradiert und maniriert erscheinenden Sprache, bis er in
deren Sog gerät, dem er sich kaum noch zu entziehen vermag.
Bilder bestechender Schönheit. Einfühlsame Blicke in das Seelenleben
eines hypersensiblen jungen Mannes, der denkt und agiert als hätte ihn ein
böser Geist aus dem Paris der Belle Epoque herausgerissen und im russisch
eingefärbten Hamburg abgesetzt, wo es sogar einen Damtorskbahnhof gibt.
Als wäre das noch nicht genug für einen hochintelligenten, teils
naturalistischen, teils surrealistischen und phantastisch-realistischen
pikaresken Roman, erzählt Erdmann mit einer Fülle von Metonymien und
Metalepsen, bricht vertraute Metaphern auf und steigert sie oft ins Absurde,
nimmt die Aussage des ersten Halbsatzes im zweiten zurück. Das gelingt zwar
durchaus nicht immer (hier wünscht man sich einen sensiblen Lektor), doch einem
solchen Kunstwerk verziehe der Leser noch mehr kleine Ungeschicklichkeiten. Die
Fülle von Hinweisen, Verweisen und Zitaten entschädigt mehr als genug. Von
Majakowskij bis Puschkin, von Adorno bis Wittgenstein sowie Lyrics von David
Bowie bis Julian Cope nutzt Erdmann für seinen Palimpsest, was ihm gerade in
den Zusammenhang paßt, und erzielt damit weitere Irritationen, die sich wohl
nur Lesern mit erheblicher kultureller Vorerfahrung erschließen werden.
Dieser
Autor verweigert sich dem Zeitgeschmack konsequent. Gerade das läßt diesen
Roman höchst singulär erscheinen. Für mich seit Monaten der interessanteste
Roman: so hätte Salvador Dali vielleicht geschrieben, wenn er nicht lieber
gemalt hätte.
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