Dies ist literarisch das Beste, was ich in den letzten Jahren gelesen habe.
All die neue Realitätsliteratur, wo Autoren Wirklichkeiten abschreiben und Literatur behaupten, ist banal und langweilig im Vergleich zu "Aljoscha".
Erdmann erzählt das Unsagbare.

Vito von Eichborn, Verleger und Herausgeber







27.08.2021

Rezension No. 11





07. Dezember 2008 

Das Streben nach dem Göttlichen

Von dalton ray




Aljoscha liebt Leda, weil er sie glücklich machen will. Da tritt Katharina auf den Plan, und Aljoschas Welt gerät aus den Fugen, weil er nun sich selber glücklich machen will. Soweit die äußere Handlung dieses Romans vom Typ "Junge trifft Mädchen", der schwerwiegendsten aller Grundkonstellationen - und ja, tatsächlich, auch hier geht es wieder um alles oder nichts: die Welt gewinnen oder irgendwann als Tölpel sterben. Nun lässt Erdmann seinen Helden aber nicht Berge erklimmen und Ozeane durchschwimmen, auch die Heere des Maharadscha und General Custers Kavallerie haben nichts von Aljoscha zu befürchten, nein, ganz im Gegenteil: kein einziges Hindernis widerstrebt bockig dem Sinnen und Trachten des Helden; außer der bangen Frage: Warum ist SIE so unvorstellbar anders, warum ist überhaupt plötzlich alles so unvorstellbar anders?

Um diese Frage für Aljoscha zu beantworten, vollzieht Erdmann auf 320 Seiten fulminanter erlebter Rede eine fast beispiellose sprachlich-hermeneutische Tiefenbohrung in die Eingeweide der Bedeutungszusammenhänge und Wirkkräfte von Platon und Ovid über Dante bis Kant, Mahler und Nick Cave. Man liest recht fassungslos von Aljoschas und Ledas Reise nach Florenz, einem instruktiven Flashback in die Asservatenkammer der Renaissance - und nun wird uns klar, auf welche Bahn Aljoscha mit der geheimnisvollen Katharina geraten ist: Es geht um den Eros, das Streben nach dem Göttlichen. Streben und Lieben sind eins, nämlich erotisch, und Katharina ist die Inkarnation des vom gebeutelten Aljoscha schon immer Erstrebten. Ein Wiedererkennen: Wer um sein Schicksal weiss, der muss es erhaschen, sonst gerät die Welt aus den Fugen. Puuh, arme Leda.

Puuh, glücklicher Leser: Eine einzigartige literarische Meisterleistung in Sprachverdichtung gelingt Erdmann im atemlosen Schlussteil des Romans. Mit "Löse das Rätsel. Finde das Wort. Sei würdig" [S. 259] beginnt die nervenzerfetzende Achterbahnfahrt Aljoschas, letzte Ausfahrt Happy Ending. Ich kann mich nicht erinnern, je etwas vergleichbar Brillantes in deutscher Sprache gelesen zu haben. Vielleicht das Kapitel "Schnee" in Thomas Manns Zauberberg.




























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